Am vergangenen Wochenende eröffnete ein Mann das Feuer in der Synagoge Chabad von Poway vor den Toren von San Diego und tötete eine Frau und verletzte drei weitere Personen. Das Manifest des Schützen im Internet enthält eine Vielzahl antisemitischer Verschwörungstheorien. Er schrieb, dass Juden die Medien und Banken kontrollieren und dass er Juden für ihre “Rolle im kulturellen Marxismus” hasste.
Der Begriff “kultureller Marxismus” verbreitet sich schnell von der extremen Rechten in den konservativen Mainstream. Der Begriff erlangte erstmals Berühmtheit, als der weiße Nationalist Anders Breivik ihn als Grund für die Tötung von 77 Menschen bei zwei Einzeltäter-Terroranschlägen in Norwegen im Jahr 2011 nannte. Poway zeigt erneut, wie gefährlich diese Idee ist. Sie liefert eine Rechtfertigung für Gewalt gegen Linke, gegen Juden und gegen alle, die damit in Verbindung gebracht werden.
“Cultural Marxism” wird seit einiger Zeit als Begriff verwendet und hatte nicht immer die aktuellen Konnotationen. Zum Beispiel wurde er verwendet, um linke kulturelle Analysen von Persönlichkeiten wie dem marxistischen britischen Historiker E.P. Thompson zu beschreiben. Laut dem Southern Poverty Law Center begann der Begriff an Bedeutung zu gewinnen, als der paleokonservative Schriftsteller William Lind ihn während einer Rede auf einer Holocaust-Leugner-Konferenz im Jahr 2002 verwendete.
Lind nutzte “Cultural Marxism”, um die Ideologie der Frankfurter Schule zu charakterisieren – einer Gruppe vorwiegend jüdischer Intellektueller, die in den 1930er Jahren vor dem Nationalsozialismus aus Deutschland flohen. Lind argumentierte, dass die Frankfurter Schule den Antirassismus, den Feminismus und die sexuelle Befreiung entwickelt habe, um traditionelle amerikanische Werte zu untergraben. Für Lind war “Cultural Marxism” ein ausländischer jüdischer Plan, um die weiße christliche Patriarchie zu schwächen.
Dies ist eine Verschwörungstheorie, eine vollständige Lüge, wie man feststellt. Die Frankfurter Schule war nicht allein verantwortlich für die Entwicklung antirassistischer und feministischer Theorien und Politiken. Antirassistische und feministische Aktivisten wie Frederick Douglass, Ida B. Wells, Sojourner Truth, Jane Addams, W.E.B. Dubois und viele andere gingen der Frankfurter Schule Jahrzehnte voraus; Sie brauchten keine vorwiegend weißen Männer, um ihre Widerstandsbewegungen zu erfinden. Diese Widerstandsbewegungen sind jedenfalls keine subversiven Angriffe auf den wahren Amerikanismus (als ob so etwas überhaupt existiere), geschweige denn eine geheime jüdische Verschwörung.